Filesharing

AG Kassel: Ansprüche aus Filesharing-Abmahnung verjähren nach drei Jahren

Laut Urteil vom 24.07.2014, Az. 410 C 625/14, hat das AG Kassel entschieden, dass Zahlungsansprüche aus einer Abmahnung wegen Filesharings innerhalb von drei Jahren verjähren.

Das AG Kassel begründet wie folgt:

„Die Klage bleibt ohne Erfolg.

Die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 97, 97a UrhG unterliegen der Verjährung.

Die regelmäßige Verjährungsfrist für diese Ansprüche beträgt gemäß § 195 BGB 3 Jahre. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährung am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger – hier die Klägerin – von allen anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners -hier der Beklagte – Kenntnis erlangt hat. Verjährungsbeginn betreffend die in der Anspruchsbegründung genannten Vorfälle vom 21. und 25.08.2009 war danach der 31.12.2009, 24.00 Uhr. Diese Verjährungsfrist lief folglich am 31.12.2012 ab. Umstände, die den Ablauf der Verjährungsfrist beeinflusst hätten, sind zuvor nicht eingetreten.

Die Unterlassungserklärung des Beklagten vom 12.02.2010 hatte keinen Einfluss auf die Verjährung des hier geltend gemachten Lizenzanalogieschadensersatzanspruches und Aufwendungsersatzanspruches. Insbesondere liegt kein einen Neubeginn der Verjährung hervorrufendes Anerkenntnis i.S. des § 212Abs. 1 Nr. 1 BGB vor. Denn mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist ein Anerkenntnis dieser Art nicht verbunden. Darin liegt nicht einmal ein Anerkenntnis des mit der Unterlassungserklärung erfüllten entsprechenden Unterlassungsanspruches. Denn mit der Abgabe einer solchen Erklärung will der Abgemahnte regelmäßig keinen konkreten Inhalt mit konkreten Rechtsfolgen fixieren. Es bleibt mithin mit der bloßen Abgabe der Erklärung offen, ob er lediglich Kostenrisiken und Aufwand des Prozesses über den Unterlassungsanspruch meiden will, an der zukünftigen Wiederholung der abgemahnten Handlung kein Interesse mehr hat oder ob er tatsächlich die Berechtigung der Abmahnung anerkennt (BGH, Urteil vom 24.09.2013 – I ZR 219/12- medizinische Fußpflege, zit. n. Juris). Sofern mit der Unterlassungserklärung nicht ausdrücklich auch der Kostenerstattungsanspruch betreffend die Abmahnung anerkannt ist,lässt sich aus der Erklärung oder ihrer Abgabe auch nicht das Anerkenntnis des Kostenerstattungsanspruches ableiten. Eine solche ausdrückliche Erklärung weist die von der Klägerin vorgelegte schriftliche Erklärung des Beklagten nicht aus. Es sind auch keine sonstigen Anhaltspunkte erkennbar, die eine Auslegung mit dem Ergebnis eines Anerkenntnisses zuließen. Ist jedoch mit der Unterlassungserklärung bereits kein Anerkenntnis der damit vorrangig angesprochenen Ansprüche der Klägerin erklärt, so kann erst recht kein Anerkenntnis des Weiteren etwa bestehenden Anspruches auf Zahlung eines Lizenzanalogieschadens damit verbunden sein.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Erklärung des damaligen Bevollmächtigten des Beklagten vom 15.02.2010. Zwar wird darin erklärt, der Beklagte sehe sich verpflichtet, den nach der damaligen Fassung des § 97a UrhG möglicherweise geschuldeten Schadensersatzanspruch in Höhe von 100,00 € zu zahlen. Der Beklagte hat jedoch unmissverständlich zugleich zum Ausdruck gebracht, dass er darüber hinausgehende Zahlungsansprüche gerade nicht erfüllen möchte, die bereits zu jenem Zeitpunkt zur Debatte stand. Die Klägerin hatte zuvor einen Betrag in Höhe von 1.800,00€ als Vergleichsbetrag im Abmahnschreiben vom 09.02.2010gefordert. Dementsprechend kann auch die im Nachgang dazu erfolgte unstreitige Zahlung des Beklagten in Höhe von 100,00 € keine Wirkung im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BGB entfalten, da sie lediglich als Umsetzung der Erklärung im Schreiben vom 15.02.2010verstanden werden kann.

Der Mahnbescheid vom 02.01.2014 entfaltet ebenfalls keine verjährungsrelevante Wirkung. Zwar kann nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGBdie ihr am 04.01.2014 erfolgte Zustellung des Mahnbescheides zur Hemmung der Verjährung führen. Dies setzt jedoch voraus, dass zu diesem Zeitpunkt die Verjährung noch nicht eingetreten ist. Nach den obigen Ausführungen war jedoch bereits mit Ablauf des 31.12.2012 Verjährung eingetreten, so dass auch unter Berücksichtigung der Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO keine Hemmung eintreten konnte, weil auch der Mahnantrag vom 23.12.2013erst weit nach Eintritt der Verjährung gestellt wurde.

Der Umstand, dass der Beklagte im Januar 2010 möglicherweise mehrere gleichartige Rechtsverstöße begangen hat, hat ebenfalls keine verjährungsrelevante Wirkung. Selbst wenn dadurch ein neuer Anspruch der Klägerin entstanden sein sollte, so verjährte dieser wegen der im Jahre 2010 eingetretenen Kenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Tatsachen und in der Person des Beklagten mit Ablauf des 31.12.2013 nach den oben genannten Vorschriften. Der Mahnbescheid vom 02.01.2014 konnte trotz der Rückwirkungsfiktion §167 ZPO auf den Zeitpunkt des Mahnantrages (23.12.2013) die Verjährung insoweit nicht hemmen.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass insoweit nur ein Anspruch wegen eines etwaigen Lizenzanalogieschadens nach § 97 UrhGüberhaupt in Betracht kommt für eine etwaige Hemmungswirkung. Ein Aufwendungserstattungsanspruch nach § 97a UrhG betreffend etwaiger Abmahnkosten kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil die Klägerin den Beklagten wegen der Vorfälle aus dem Januar 2010 gar nicht abgemahnt hatte. Das Abmahnschreiben vom 09.02.2010 mit ausschließlich den beiden Vorfällen vom August 2009. Erkennbar spielten die weiteren Vorfälle für die Abmahnung keine Rolle. Dies erscheint auch deswegen plausibel, weil die diesbezüglichen Auskunftsbeschlüsse des Landgerichts Köln teilweise erst danach datieren und bei den früheren Beschlüssen mit einem Abschluss der Beauskunftung durch die Deutsche Telekom AG nicht ohne weiteres zum Zeitpunkt der Abmahnung gerechnet werden kann.

Der Mahnbescheid vom 02.01.2014 konnte jedoch deswegen keine Hemmungswirkung entfalten, weil er einen anderen Streitgegenstand betrifft.

Nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO muss im Mahnantrag der Anspruch unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung bezeichnet werden.Die Angaben im Mahnantrag müssen somit eine hinreichende Individualisierung der Ansprüche und Abgrenzung von anderen in Betracht kommenden Ansprüchen ermöglichen (Zöller/Vollkommer, § 690ZPO Rn. 14). Dies bedeutet, dass bei deliktischen Ansprüchen – um die es sich hier handelt – beispielsweise die Tatzeit benennt werden muss, um die Individualisierbarkeit herbeizuführen. Dies ergibt sich bereits aus der allgemeinen Streitgegenstandslehre, der zufolge ein eindeutiger Lebenssachverhalt Teil des Streitgegenstandes ist (sogenannter zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff). Im Mahnverfahren ist dies deswegen von besonderer Bedeutung, weil der auf diese Art und Weise in Anspruch genommenen Schuldner erkennen muss, ob es sachgerecht ist,Widerspruch einzulegen und den Rechtsstreit aufzunehmen. Denn eine einer Schlüssigkeitsprüfung zu unterziehende Sachverhaltsschilderung kennt das Mahnverfahren nicht. Eine solche Entscheidung kann der Schuldner allerdings dann nicht treffen,fehlt es an den Anspruch individualisierenden Beschreibungsmerkmalen. Dies führt dazu, dass das diesem Rechtsstreit vorgeschaltete Mahnverfahren die klägerseits behaupteten Verletzungshandlungen des Beklagten vom Januar 2010nicht zum Gegenstand haben. Denn diese Verletzungshandlungen waren wieder im Abmahnschreiben vom 09.02.2010 genannt noch in dem Mahnantrag vom 23.12.2013. Letztere nennt nur den Kostenerstattungsanspruch aufgrund der eben erwähnten Abmahnung sowie den Schadensersatzanspruch aufgrund des Vorfalls vom 25.08.2009 (was zur Folge hat, dass der mit der Anspruchsbegründung eingeführte Vorfall vom 21.08.2009 ebenfalls nicht Gegenstand des Mahnverfahrens war). Streitgegenstand diesem Rechtsstreit wurden die weiteren behaupteten Vorfälle vom Januar 2010 erst nach Benennung im am 07.05.2014 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz der Klägerin vom 02.05.2014. Dadurch trat aber keine Verjährungshemmung mehr ein, weil zu diesem Zeitpunkt die Verjährung bereits eingetreten war, nämlich zum 31.12.2013. § 204Abs. 1 Nr. 1 BGB ist damit nicht mehr einschlägig.

Diese weiteren Vorfälle können auch nicht als Fortsetzungshandlungen eines einheitlichen Deliktes verstanden werden und dass somit eine Rückbeziehung der späteren Verletzungshandlung auf die frühere im Mahnantrag genannte Verletzungshandlung erfolgen könnte. Ein Dauerdelikt liegt bereits deswegen nicht vor, weil schon nach dem Vorbringen der Klägerin einzelne in sich abgeschlossene und eindeutig abgrenzbare Verletzungshandlungen vorliegen. Erforderlich ist danach jedes Mal ein neuer Entschluss, urheberrechtswidrig einen Filesharing-Vorgang in Gang zu setzen. Auch die Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhanges wird der konkreten Situation nicht gerecht. Dabei kann es das Gericht dahingestellt sein lassen, ob im Zivilrecht diese Rechtsfigur noch Anwendung finden kann, nachdem sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen davon abgewendet hat. Zwar hat der Bundesgerichtshof für Vertragsstrafeversprechen diese Rechtsfigur noch angewendet (Urteil vom 25.01.2001 – I ZR 323/98 – Trainingsvertrag, zit.n. Juris). Ausschlaggebend ist danach der übereinstimmende Wille in den Parteien des Vertragsstrafenvertrages, eine angemessene und sachgerechte Sanktion für einen erneuten Verstoß herbeizuführen.Für eine rein deliktische Haftung, wie sie hier in Rede steht,fehlt es jedoch an einem solchen Parteiwillen. Maßgeblich ist hierfür die Willenslage des deliktischen Schädigers, der sich auch immer wieder neu entscheiden kann, den Rechtsverstoß zu begehen.Hier hat die Klägerin keinen hinreichenden Vortrag dazu gehalten,dass der Beklagte von vornherein seit dem 21.08.2009 bzw.25.08.2009 die Absicht hatte, die beiden Musikalben immer wieder erneut herunter zu laden. Viel wahrscheinlicher ist es angesichts des Filesharing-Vorganges im Allgemeinen, dass sich der Beklagte immer wieder neu entschied, etwa weil bei einem Vorgang von vornherein nicht alle Titel eines Albums herunter geladen werden sollten. Mithin fehlt es an einem einheitlichen Tatentschluss. Ein solcher ist vorliegend nicht erkennbar.

Die Klägerin kann für sich auch nicht die zehnjährige Verjährungsfrist des § 852 S. 2 BGB reklamieren. Nach dieser Vorschrift unterliegen diejenigen Ansprüche einer längeren Verjährung, die auf die Herausgabe des deliktisch Erlangten zielen.Es handelt sich somit um einen quasi deliktischen Bereicherungsanspruch. Diese Vorschrift findet wegen § 102 S. 2UrhG entsprechende Anwendung. Voraussetzung ist aber, dass der Schädiger tatsächlich etwas erlangt hat. Dies kann die ersparte Lizenzgebühr sein, wenn die Wahrnehmung des Urheberrechts typischerweise nur gegen eine Lizenzgebühr eingeräumt wird (BGH,Urteil vom 27.10.2011 – I ZR 175/10 – Bochumer Weihnachtsmarkt, zit. n. Juris). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Rechtewahrnehmung bei einer Verwertungsgesellschaft lizenziert werden kann.

Hier liegen jedoch die tatsächlichen Verhältnisse anders, so dass die Grundsätze der eben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegend keine Anwendung finden können. Denn dem erkennenden Gericht ist kein Anbieter bekannt, der Werke der Musik oder Filmwerke dergestalt lizenziert, dass sie im Wege des Filesharings angeboten werden können. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Klägerin – wie alle dem erkennenden Gericht bekannten Gläubiger vergleichbarer Ansprüche – Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie Begehren. Lizenzanalogie bedeutet aber,dass zumeist im Wege der Schätzung ein Schadensersatzanspruch danach ermittelt wird, was dem verletzten Urheber an Lizenzgebühren entgangen ist. Ein bereicherungsrechtlich abschöpfbarer Vorteil muss dabei den Schädiger gar nicht entstanden seien. So ist es hier. Der Hauptzweck des typischen Nutzers einer Internet-Tauschbörse beim Filesharing liegt darin, beispielsweise das Musikstück zu erhalten. Der technisch damit zugleich verbundene Upload wird damit gleichsam nur als notwendiges Übel verbunden,ohne dass er zielgerichtet beabsichtigt ist. Es wird allenfalls billigend in Kauf genommen, dass ein weiterer Teilnehmer der Tauschbörse nunmehr in der Lage ist, dasselbe Musikstück seinerseits herunter zu laden. Er erspart sich mithin keine Lizenzgebühren, weil er diese auch bei einer legalen Vorgehensweise gerade nicht bezahlt hätte. Gezahlt worden wäre allenfalls der übliche Kaufpreis etwa einer CD. Denn dem Nutzer geht es beim Filesharing nur um den Gebrauch des konkreten Werkes für eigene Zwecke, nicht um die darüber hinausgehende Nutzung oder gar Verbreitung. Darin unterscheidet sich der typische Tauschbörsenteilnehmer von demjenigen, der etwa seine Verkaufsstätte mit Musikwerken beschallt, um damit das Kaufverhalten potentieller Kunden zu befördern. Ein solcher Urheberrechtsverletzer würde bei legalem Vorgehen nämlich entsprechende Lizenzgebühren bezahlen. Das erkennende Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des Amtsgerichts Bielefeld (Urteil vom 06.03.2014 – 42 C 368/13, zit. n. Juris Rdnr. 16). Dabei berücksichtigte das Gericht auch, dass typischerweise die verwendeten Programme den Upload nicht vollständig durchführen,sondern nur Bruchteile der Dateien wieder in die Tauschbörse einstellen, auch wenn diese Bruchteile notwendig sind, damit der nächste Tauschbörsenteilnehmer wieder die gesamte Datei auf seinen Computer herunter laden kann.“

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